Grundlagen der Cannabinoidmedizin

Verständnis für das Endocannabinoid-System, Wirkstoffe und medizinische Anwendungsmöglichkeiten.

Die Klassen der Cannabinoide

Phytocannabinoide sind die pharmakologisch aktiven Wirkstoffe in Cannabis. Sie ähneln körpereigenen Substanzen, den Endocannabinoiden. Cannabinoide wirken an Rezeptoren des sogenannten Endocannabinoidsystems, welches hauptsächlich dem Aufrechterhalten verschiedener physiologischer Homöostasen dient, beispielsweise im Stoffwechsel, im Immunsystem und bei Entzündungsreaktionen, bei der Neurogenese und der synaptischen Regulation oder auch der circadianen Rhythmik.

Cannabinoide wirken hauptsächlich an den an G-Protein gekoppelten Cannabinoidrezeptoren 1 und 2 (CB1 und CB2). CB1-Rezeptoren sind hauptsächlich im zentralen Nervensystem vorhanden. CB2-Rezeptoren sind wiederum hauptsächlich in peripheren Geweben und dem peripheren Nervensystem vorhanden, aber auch im ZNS. Sie sind ebenfalls in Zellen des Immunsystems vorhanden.

Es gibt verschiedene Klassen von Cannabinoiden:

  • Endocannabinoide (körpereigene Substanzen wie N-Arachidonylethanolamid/AEA und 2-Arachidonylglycerol/2-AG)
  • Phytocannabinoide (pflanzliche Substanzen wie Δ9-Tetrahydrocannabinol/THC, Cannabidiol/CBD und Cannabigerol/CBG)
  • Synthetische Cannabinoide (wie Nabilone und JWH-133)

Die wichtigsten Rezeptoren des Endocannabinoidsystems:

  • CB1: Cannabinoidrezeptor 1 (CB1): hauptsächlich im zentralen und peripheren Nervensystem lokalisiert
  • CB2: Cannabinoidrezeptor 2 (CB2): hauptsächlich auf Zellen des Immunsystems lokalisiert
  • GPR55: G-Protein gekoppelter Rezeptor 55 (GPR55): hauptsächlich im zentralen und peripheren Nervensystem lokalisiert

Phytocannabinoide

Die wichtigsten Wirkstoffe in Cannabis sind THC (Δ9-Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol).

THC (Δ9-Tetrahydrocannabinol)

Phyto-Cannabinoid

Schmerzstillend, beruhigend, appetitanregend

CB1: CB1 Rezeptoren: THC wirkt an ihnen als partieller Agonist.

CB2: CB2 Rezeptoren: THC wirkt als schwacher partieller Agonist.

Pharmakodynamik: Die Dosierung ist hierbei von besonderer Bedeutung, da THC biphasisch wirkt: In niedriger Dosierung wirkt THC angstlösend, aber in zu hoher Dosierung kann es angstfördernd wirken.

CBD (Cannabidiol)

Phyto-Cannabinoid

Entzündungshemmend, schmerzstillend, beruhigend, neuroprotektiv, angstlösend

CB1: CB1 Rezeptoren: CBD wirkt an ihnen als negativer allosterischer Modulator und schwacher Antagonist. In nanomolaren Konzentrationen wirkt CBD als allosterischer Modulator. Für eine Bindung als Ligand sind mikromolare Konzentrationen erforderlich.

CB2: CB2 Rezeptoren: CBD wirkt an ihnen als partieller Agonist und allosterischer Modulator. Für eine Bindung als Ligand sind mikromolare Konzentrationen erforderlich.

Pharmakokinetik

Die Pharmakokinetik von THC und CBD hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel der konsumierten Gesamtdosis und der Frequenz des Konsums, und kann sich daher über die Zeit verändern. Die Bioverfügbarkeit von inhaliertem THC liegt bei circa 10-35% und bei der oralen Aufnahme bei circa 10-20%.

Synergistische Effekte

Generell gilt, dass THC und CBD sowie weitere Phytocannabinoide als auch Terpene synergistische pharmakokinetische Eigenschaften zeigen. Werden Cannabinoide also in einem Extrakt verabreicht (im Vergleich zu der Verabreichung in Form einer Monosubstanz, wie z.B. Dronabinol), kann hierdurch die Bioverfügbarkeit der einzelnen Bestandteile erhöht werden. In einem Extrakt beeinflussen darüber hinaus noch viele weitere Inhaltsstoffe, wie geringfügige Cannabinoide und Terpene, dessen Wirkung, sodass Extrakte verschiedener Kultivare bei gleichem THC und CBD Gehalt unterschiedliche Effektivität zeigen können.

Inhalative Verabreichung

  • Bioverfügbarkeit: 10-35%
  • Maximale Wirkung: 15-30 Minuten
  • Wirkdauer: 2-3 Stunden

Orale Verabreichung

  • Bioverfügbarkeit: 10-20%
  • Wirkungseintritt: 30-90 Minuten
  • Maximale Wirkung: 2-3 Stunden

Hinweis: Direkt nach der Aufnahme von THC (Δ9-Tetrahydrocannabinol) im Körper wird dieses umgesetzt zu 11-OH-THC, welches das primäre aktive Metabolit ist. Bei inhalativer Aufnahme ist die Peak-Konzentration von 11-OH-THC bereits 15 Minuten nach der Anwendung erreicht.

Geringfügige Cannabinoide

Außer den wichtigsten und meistgenutzten Cannabinoiden THC und CBD finden sich in Cannabis viele weitere Cannabinoide, die meist nur in sehr niedrigen Konzentrationen vorhanden sind und daher als geringfügige Cannabinoide bezeichnet werden. Die Wirkweisen der mehr als 100 weiteren Phytocannabinoide unterscheiden sich wahrscheinlich hauptsächlich durch die Affinitäten zu den verschiedenen Endocannabinoidrezeptoren sowie ihre Liganden-Funktion an diesen.

Synergistische Effekte:

Cannabinoide weisen eine synergistische Pharmakokinetik auf, sogar wenn sie gegensätzliche pharmakodynamische Eigenschaften besitzen. Dies ist ein Faktor weshalb durch den Konsum eines Cannabis-Vollspektrum-Extraktes oder einer vaporisierten Cannabisblüte eine bessere Wirksamkeit als im Vergleich zu Monosubstanzen wie beispielsweise Dronabinol erreicht werden kann.

Die wichtigsten geringfügigen Cannabinoide:

Abkürzungchem. NamePsychotropWirkungenSonstiges
CBGCannabigerolnein• antimikrobielles Potential¹³ • entzündungshemmend⁸ • schmerzstillend¹⁶Prekursor zu THCA, CBDA und CBCA
CBNCannabinolnein• analgetisch¹⁵ • antimikrobielles Potential⁵Produkt der Oxidation von THC
CBCCannabichromennein• entzündungshemmend¹²,¹⁴ • schmerzstillend¹⁶ • neuroprotektiv?
THCATetrahydrocannabinolsäurenein• übelkeitsmindernd¹¹ • entzündungshemmend⁷Prekursor zu THC, wird durch Erhitzen umgewandelt
CBDACannabidiolsäurenein• schmerzstillend¹⁰ • entzündungshemmend¹⁰ • angstmindernd⁹ • übelkeitsmindernd⁹Prekursor zu CBD, wird durch Erhitzen umgewandelt

Terpene

Terpene sind sekundäre Pflanzenstoffe, die für den Geruch und das Aroma von Cannabis verantwortlich sind. Cannabis verfügt mit über 200 verschiedenen Terpenen über ein breites Spektrum, welche vermutlich sogar bei der Züchtung der verschiedenen Kultivare eine große Rolle gespielt haben.

Eigenschaften der Terpene:

Terpene sind lipophile Moleküle, was ihnen eine Interaktion mit Zellmembranen ermöglicht. Darüber hinaus sind Interaktionen der Terpene mit Ionenkanalen, Neurotransmitter Rezeptoren und G-Protein gekoppelten Rezeptoren sowie Enzymen nachgewiesen.

Synergistische Effekte:

Es herrscht aktuell kein klarer wissenschaftlicher Konsens, ob Terpene aktiv an Rezeptoren des Endocannabinoidsystems wirken, aber ihre synergistische Pharmakokinetik mit den Phytocannabinoiden ist bereits wissenschaftlich bestätigt. Dies ist ein Faktor, weshalb durch den Konsum eines Cannabis-Vollspektrum-Extraktes oder einer vaporisierten Cannabisblüte eine bessere Wirksamkeit erreicht werden kann im Vergleich zu Monosubstanzen wie beispielsweise Dronabinol.

Die wichtigsten Terpene in Cannabis Sativa L.

TerpenGeruch/AromaZugeschriebene Wirkungen
β-MyrcenErdig-würziger GeruchEntspannende und schmerzstillende Wirkungen
α-/β-PinenAromatisch, erinnert an KiefernwaldEntzündungshemmend, bronchienerweiternd und schmerzstillend
β-CaryophyllenWürzig, erinnert an frischen PfefferSchmerzstillende Wirkungen
TerpinolenErinnert an ZitronenschaleBeruhigende Wirkungen
LimonenErinnert an LimetteAngstlösende und immunstimulierende Eigenschaften, entzündungsstillend

Quellen

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